fair 01/2019
Skulptur/Objekt im Raum
Der Skulpturenbegriff hat sich im 20. Jahrhundert wesentlich erneuert. In experimenteller Form wurde der Begriff hinterfragt und ist gleichzeitig in unterschiedlicher Form neu interpretiert worden. Die Skulptur / das Objekt hat sich vom Sockel gelöst und wurde expansiv in den Raum erweitert. Wie sich das Objekt heute zum Raum verhält und neu thematisiert wird, ist Thema unserer aktuellen Ausgabe. In diesem Zusammenhang beleuchten wir exemplarisch das Werk von drei Künstlern unterschiedlicher Generation – Stanislav Kolíbal, Roman Signer und Heinrich Dunst.
Stanislav Kolíbal (geb. 1925), dessen Leben das ganze 20. Jahrhundert durchmaß, mit all seinen Brüchen und Wirrungen, kann man als prototypischen Künstler der Moderne verstehen. Mit seinen 93 Jahren vertritt er 2019 die Tschechische Republik bei der Biennale in Venedig. Immer noch künstlerisch aktiv blickt er auf ein umfassendes sieben Jahrzehnte langes Schaffen zurück. Begonnen hat er sein Werk in den 1930er Jahren und er hat es bis heute, unabhängig der gesellschaftlichen und politischen Gemengelage, kontinulierlich fortgesetzt. Dieter Bogner schreibt über ihn Folgendes: Kritisch steht Kolíbal jeglicher künstlerischen Utopie perfekter Verhältnisse gegenüber. Ein diesbezüglicher Schlüsselsatz lautet: „Ich will das Sein ausdrücken. Dieses seltsame Durchdringen einer bestimmten Perfektion mit Unzulänglichkeit.“
Roman Signer (St. Gallen, Schweiz) hat mit seinen ephemeren Aktionen, auch „Zeitskulpturen“ genannt, seit den 1970er-Jahren zur Erneuerung des Skulpturbegriffs beigetragen. In seinen skulpturalen Prozessen bezieht er Zeit, Beschleunigung und Veränderung mit ein und erkundet so die Möglichkeiten des Mediums neu. An die Stelle klassischer Materialien treten in seinem Werk Sand, Wasser, Wind und einfache Gebrauchsgegenstände wie Tische, Stühle, Fässer, Fahrräder oder auch kleine motorisierte Fahrzeuge, die gezielt komplexen Transformationsvorgängen oder explosiven Ereignissen ausgesetzt werden. Durch das Zusammenspiel von genauer Planung und unberechenbarem Zufall entstehen bei Roman Signer Installationen und Objekte voll Ästhetik und Poesie.
"Roman Signer wird auch ohne die einstudierten Handlungsanweisungen der großen Malereiheroen und der Epigonen eines künstlerischen Kanons seine Spuren in der Kunstgeschichte hinterlassen. Seine außerordentliche Sensibilität für Formen der Zeit und die Energien, die unseren Alltag bestimmen, machen Signer zu einem unverkennbaren Künstler, der seit vielen Jahrzehnten schon den Puls der Gegenwart misst.“ Angela Stief
Heinrich Dunst (Wien), dem wir in dieser Ausgabe den umfangreichsten Beitrag gewidmet haben, untersucht in seinen aktuellen Arbeiten, ob das manifeste künstlerische Werk im Form von Bild, Objekt und Sprache im Raum noch eine Widerstandskraft gegenüber dem suggestiven Bildersog des Digitalen und der medialen Doublierung unserer Gegenwart besitzt. Durch Verschiebungen, die er vornimmt, stellt er unsere gewohnten Wahrnehmungsverhältnisse von Bild, Sprache und deren Repräsentanz auf den Kopf und irritiert sie. Seine Arbeiten stellen letztlich Modellanordnungen dar, in denen er versucht, das Vokabular der Moderne und Postmoderne in Bezug auf ihre inflationäre Verwendung durch die postmodernistische Kulturindustrie neu zu ordnen und zu bewerten.
KünstlerInnen der Ausgabe:
Heinrich Dunst, Stanislav Kolíbal, Roman Signer, Arte Povera, Elisabeth von Samsonow, Otto Muehl, Carla Guagliardi, Sammlung Liaunig, Zoran Mušič, Eric Kressnig, Karl Hikade, Marte.Marte Architekten.
AutorInnen der Ausgabe:
Jean-François Lyotard, Dieter Bogner, Wolf Guenter Thiel, Thomas Redl, Angela Stief, Edelbert Köb, Hubert Klocker, Christian Bauer, Ulrike Kregel, Günther Oberhollenzer, Peter Baum, Markus Wörgötter, Boris Radojković und andere.