Forum Metall
Linz 1977 – 2017
Forum Metall war ein Großprojekt mit Metallskulpturen im öffentlichen Raum in Linz im Jahr 1977. Insgesamt nahmen 14 internationale Künstler daran teil: Herbert Bayer, Max Bill, Haus-Rucker-Co, Erwin Heerich, Donald Judd, Piotr Kowalski, Bernhard Luginbühl, Eduardo Paolozzi, Erwin Reiter, Klaus Rinke, David Rabinowitch und Günther Uecker. Mathias Goeritz (1986) und Amadeo Gabino (1998) realisierten in den Folgejahren Skulpturen für Forum Metall. Initiiert und organisiert wurde das Projekt von Helmuth Gsöllpointner und Peter Baum. Diese Veranstaltung verlieh der Linzer Industriestadt ein kulturelles Profil und durch die überregionale Bedeutung dieses Ereignisses wurde Linz auf der internationalen Landkarte der zeitgenössischen Kunst und Kultur sichtbar. Somit war Forum Metall identitätsstiftend für die Kulturstadt Linz.
Gespräch mit Peter Baum und Helmuth Gsöllpointner (Auszug)
Thomas Redl: Was war die Gründungsidee und der initiative Gedanke von Forum Metall?
Helmuth Gsöllpointner: Linz war in den 1960er und 1970er Jahren auf der Suche nach einer eigenen kulturellen Identität. Es wurde viel geredet über Begriffe wie „Linz Kunst“ und Ähnliches. Ich war Leiter einer Klasse der Kunstschule der Stadt Linz, die später zur Hochschule wurde und die damals in der Voest untergebracht war. Und in der Voest bot sich mir die Gelegenheit, den Arbeitern und Angestellten ihre Identität, ihre kulturelle Identität vor Augen zu führen, indem ich Kunstwerke und Produkte der Voest aus der Gießerei und aus verschiedenen anderen Werkstätten gegenübergestellt habe. Die Ausstellung wurde in einer Verbindungshalle des damaligen Verwaltungsgebäudes präsentiert. Das war sehr spannend. Die Leute wussten oft nicht, welches Exponat ist jetzt das Kunstwerk und welches ist das industrielle Objekt von der Gießerei. Die Angehörigen der Voest hatten das erste Mal das Gefühl, dass die Dinge, mit denen sie täglich zu arbeiten haben, ästhetische Objekte sind. Die Ausstellung mit dem Titel Forum Stahl war so erfolgreich, dass der Generaldirektor Koller den Auftrag gab, eine zweite Ausstellung mit ähnlichem Inhalt vorzubereiten. Diese hieß dann Forum Stahl II. Beide Veranstaltungen waren für die Voestler als kulturelle Erkenntnis sehr wichtig.
Inzwischen wurde die Kunstschule zur Hochschule ernannt und ich wurde zum Rektor gewählt und dachte, so eine Ausstellung für die kulturelle Identität – so habe ich sie immer bezeichnet – so eine Ausstellung machen wir jetzt für die Stahlstadt Linz. Ich habe nach einem Jahr begonnen, ein Konzept zu entwickeln im Sinne der Symposien, die der Bildhauer Karl Prantl seinerzeit durchgeführt hatte. Dies habe ich damals dem Generaldirektor der Voest, Dr. Koller, vorgeschlagen und in der Hochschule mit Laurids Ortner besprochen. Das Konzept hat Anklang gefunden, und man machte sich auf die Suche nach Künstlern, die daran beteiligt werden sollten. Aber nicht nur nach Künstlern, sondern auch nach einem Ort, wo das Ganze präsentiert werden konnte. Da kam natürlich die Stadt ins Gespräch, und so kam Peter Baum dazu. Er wurde von der Stadt Linz delegiert, als konkreter Managementteil der ganzen Veranstaltung zu fungieren. Das war auch insofern sehr wichtig, da Peter sehr viele Kontakte zu internationalen Künstlern hatte.
Peter Baum: Ausgehend von der Grundidee – wenn man schon einen Vergleich zu dem Steinbildhauersymposium in St. Margarethen im Burgenland zieht – stand hier eben Stahl, Metall im Zentrum der Bemühungen. Und Helmuth Gsöllpointner war immer neben seinen weitfliegenden Ideen auch ein Realist, hatte viele Verbindungen zur Industrie, zum Management in den industriellen Betrieben der verstaatlichten Industrie. Das schien mir doch eine seriöse Grundlage zu sein, plus der Zustimmung der Stadt, dass diese Sache gut ausgehen könnte. Und der Optimismus stieg rapide an, als wir die ersten Kontakte mit Künstlern aufnahmen.
Was war das Lockmittel für Linz? Einmal war da ein sehr guter Platz an der Donau, also ein zentraler und gleichzeitig freier, nicht beengter Ort. Und vor allem die Chance, in einer großen Dimension Plastiken auszuführen, wie sie die meisten Künstler zuvor nicht realisieren konnten. Also, die Naturalleistungen, die durch das Mittun der verstaatlichten Betriebe gewährt und garantiert wurden, waren natürlich ein großer Anreiz. Man denke zum Beispiel an die Arbeit von Günther Uecker mit ca. 6 Meter Höhe und 5 mal 5 Meter im Grundriss oder derart perfekte Anfertigungen wie die Aluminiumskulptur von Erwin Heerich. Da waren verschiedene spezifische Erfordernisse der Künstler, die von den Betrieben abgedeckt wurden, aber auch eine Vermittlertätigkeit, die Helmuth Gsöllpointner bravourös leisten konnte, weil er einerseits künstlerisch top war, umgekehrt aber auch über die Arbeitsvorgänge in der Produktion Bescheid wusste. Flunkereien hat es ja im Kunstbereich immer genug gegeben, wir merkten allerdings schon bei den ersten Gesprächen, dass alle mittun wollten. Und selbst jemand wie Alexander Calder hatte die Absicht mitzuwirken, war jedoch terminlich überfordert. Mit Jean Tinguely entwickelte sich ein reger Briefverkehr und erste Ideenskizzen entstanden, letztendlich kam es aber zu keiner Realisierung eines Objektes. Viele Künstler waren an dem Projekt interessiert, wie Herbert Bayer und Max Bill oder das Düsseldorfer Bildhauertrio mit Erwin Heerich, Klaus Rinke und Günther Uecker.
Helmuth Gsöllpointner und ich haben eine gemeinsame Reise zu Max Bill in die Schweiz gemacht und ihn in der Nähe von Zürich besucht, in seinem Wohn- und Atelierhaus in Zumikon. Max Bill war immer ein sehr präziser Denker und Handelnder, dem es genügt hat – er hat ja seine plastischen Arbeiten nie selbst ausgeführt – die Idee, die Skizze zu fertigen. So war es auch im Fall von Forum Metall. Bill hat auf einem halben DIN A4 Bogen eine Skizze gemacht und eine seiner Pavillon-Skulpturen gezeichnet. Er wollte diese Skulptur in Chrom-Nickel-Stahl ausführen lassen, ein an sich sehr teures Material. Bill war aber, da wir damals finanziell schon ziemlich ausgeschöpft waren, dennoch bereit, eine Art Kompromiss zu schließen, und hat sich dann damit zufrieden gegeben, dass man nur die Endteile aus Chrom-Nickel-Stahl überkleidete und nicht die gesamte Skulptur in diesem Material ausführt wurde.
H.G.: Max Bill, Mathias Goeritz und Herbert Bayer wurden nicht umsonst als Teilnehmer von Forum Metall ausgewählt. Sie waren Gallionsfiguren für die geistige Achse unserer neuen Kunsthochschule und als Vorbilder sehr wichtig, denn alle drei waren Allrounder – Architekten, Bildhauer, Maler und Designer.
T.R.: Forum Metall garantierte den Künstlern die Produktion vor Ort durch die Verbindung zur Industrie, vor allem durch die Verbindung zur Voest in Linz, zu Aluminium-Ranshofen und den traditionsreichen Steyr-Werken. Durch dieses Angebot der hochprofessionellen Produktion vor Ort ist es gelungen, viele internationale künstlerische Personen zu gewinnen.
P.B.: Natürlich auch die wichtigen Künstler, die wir schon gewonnen hatten. Also, ein guter Künstler ist primär daran interessiert, in welche Gesellschaft komme ich, und da gab es keinen Zweifel aufgrund der guten Namen. Es war eher so, dass wir den einen oder anderen Künstler einfach nicht erreichen konnten. Jene, die wir erreicht haben, waren alle interessiert. Ich hatte seit dem Jahr 1974 relativ gute Verbindungen zur Düsseldorfer Kunstakademie. Im Jahr davor, 1973, habe ich Klaus Rinke in Sao Paulo kennengelernt. Über die Verbindung zu Klaus Rinke organisierte ich 1974/75 eine Ausstellung von Düsseldorfer Künstlern für die Neue Galerie Linz, die alle an der Akademie unterrichteten. So bestand schon eine Achsenbildung, und Klaus Rinke, Erwin Heerich und Günther Uecker waren dann die ausgewählten Künstler für Forum Metall.
H.G.: Wir haben auch ein bisschen mit dem Trick gearbeitet, mit dem die Filmindustrie arbeitet: Wenn ein Regisseur einen Film mit Liz Taylor drehen wollte, hat er versucht, auch Richard Burton für diesen Film zu gewinnen. Er hat zu Liz Taylor gesagt, dass Burton mitspielt, und zu Burton, dass Liz Taylor mitspielt. So konnte der Regisseur beide für den Film gewinnen, und so haben auch wir internationale Positionen der Kunst gewonnen.
P.B.: Zu Herbert Bayer bestand mein Kontakt schon seit 1971, wo er in Wien eine Ausstellung in der Fotogalerie „Die Brücke“ hatte. Im Jahr 1975 habe ich dann die erste große Bayer-Ausstellung, damals noch am Hauptplatz in den ehemaligen Amtsräumen der Neuen Galerie, gemacht, zu der Herbert Bayer selbst nach Linz kam. Daraus entstanden sehr gute Verbindungen, sodass man mit Bayer und Bill zwei Gallionsfiguren des neuen Akademietypus, Bauhaus und Ulm, einladen konnte. Das war natürlich auch ein Aufwind, ein Garant für ein Weiterdenken. Abgesehen davon war die Symposiumsidee grundlegend in diesen Jahren noch sehr en vogue. Das begann in Mitteleuropa, hat sich dann auf Mexiko, auf Japan usw. ausgedehnt. Durch die Konzentration auf Metall und durch den Standort an der Donau hatten wir einfach ein sehr gutes Angebot, das ganz ehrlich wirklich niemand ausschlug.
H.G.: Ein paar große Namen konnten wir leider nicht gewinnen. Mit Claes Oldenburg habe ich mehrmals korrespondiert und auch ein langes Gespräch mit ihm in New York geführt. Leider konnte er sich, so wie Tinguely, Chillida oder Calder, trotz echtem Interesse zum Zeitpunkt 1977 nicht beteiligen.
P.B.: Es ging ja auch darum, die damalige Gegenwart der Kunstströmungen abzubilden, also nicht nur um die großen Bildhauer der Vergangenheit, sondern um neue Positionen, wie sie Kowalski, Donald Judd, David Rabinowitch etc. vertraten. Da war ein gewisser Aufschwung mit eher minimalistischen Tendenzen, denken wir etwa an Judd und Rabinowitch, aber mit sehr klaren Statements. Und Eduardo Paolozzi hat dank seines Interesses für Anton Bruckner eine ganz außergewöhnliche Arbeit realisiert, eine Hommage à Bruckner. Es entstanden zum Teil sehr spezifische Arbeiten, was Ausführung, Konzeption, aber auch die Bezugnahme auf die Umgebung betraf. Und wenn so etwas klappt, das war in einigen Fällen so, es sind dadurch sehr besondere und für Linz spezifische Arbeiten entstanden.
H.G.: Die Eröffnung des Forum Metall am 12. September 1977 war ein großes Ereignis und bekam international viel Beachtung. Galeristen und Journalisten aus der ganzen Welt waren anwesend.
P.B.: Günther Uecker hat zugesagt, zur Eröffnung etwas in Zusammenhang mit dem Standort zu machen. Er hat dann am ehemaligen Treppelweg an der Donau von Pferden einen Erzbrocken ziehen lassen. So waren immer spezifische Zusammenhänge mit dem Standort Linz im Spiel. Überhaupt waren für die Künstler die Begegnungen in der Voest sehr wichtig und wertvoll. Luginbühl hat faktisch von 6 Uhr früh bis 9 Uhr abends auf dem Voestgelände gearbeitet und so den Linzer Donauatlas aus sehr spezifisch ausgewählten Abfallmaterialien der Voest kreiert.
Paolozzi, Judd, Luginbühl, Kowalski, Rabinowitch waren Künstler mit Gegensätzen, aber durch die Konzentration auf Metall waren eine Klammer und eine Stoßrichtung vorgegeben. Die wichtigsten Faktoren des Projektes nochmals verkürzt dargestellt: Internationale Künstler in Linz bei einem neuen Projekt, realistische Einschätzung der geplanten Objekte und die Garantie in der Ausführung durch Helmuth Gsöllpointner, der aufgrund seiner künstlerischen Fähigkeiten und parallel durch sein Einschätzungsvermögen der Produktionsvorgänge eine kompetente Ausführung garantieren konnte. Die richtige Anzahl der Künstler, die trotz der Gegensätze in ihren einzelnen Skulpturen sich sozusagen zu einem Concerto Grosso zusammengeschlossen haben. Und der geniale Platz an der Donau. Dies waren insgesamt sehr günstige Bedingungen. Dann gab es quasi auch Sensationen. Sensation Nummer 1 wurde die Nike von Haus-Rucker auf dem Dach der Kunsthochschule: Eine Synthese zwischen der ehemals von El Lissitzki entworfenen Rednertribühne für Lenin und der Nike von Samothrake. Also eine inhaltlich provokante Sache, die man auch, wenn man gar nichts darüber wusste, als visuelles Phänomen deutlich wahrnehmen konnte. Sie war in ihrer Position auf dem Dach der Hochschule direkt am Linzer Hauptplatz auch ein Signal für die neue Hochschule.
H.G.: Die Siegesgöttin da oben auf dem Dach der Hochschule war eine Sensation. Es war ja keine Kopie, sondern eine Paraphrase auf die Nike, ausgeführt in zeitgemäßer industrieller Technologie. Das war ein wichtiger Aspekt.
T.R.: Es war ein städtisches Signal, sozusagen ein urbanes Zeichen des Aufbruchs.
Mit dem Projekt Forum Metall, einer Veranstaltung neuen Typs, die bewusst die konventionellen Wege üblicher Ausstellungspraktiken sprengt und ebenso bewusst den Charakter von vorwiegend reproduktiv ausgerichteten Festspielen vermeidet, legt die Stadt Linz ein weithin sichtbares, dem städtischen Freibereich geradezu ideal eingebundenes Bekenntnis zur Plastik und Objektkunst unserer Zeit ab.
Durch Forum Metall haben wir in der nicht nur industriell, sondern auch kulturell aufstrebenden und ambitionierten Stadt Linz einen eigenständigen künstlerischen Akzent gesetzt, der auf denkbar breiter Basis, über den Kreis verstehender Insider hinaus, kompromisslose Beispiele der Kunst unserer Zeit einem möglichst großen Publikum nahebringt. Diese künstlerisch-geistige Herausforderung fungiert als Anstoß einer weiterreichenden Reflexion, die sich auf den wandelbaren Begriff dessen, was Kunst ist, ebenso bezieht wie auf das kritische Bewusstsein des Bürgers zu seiner Stadt.
Peter Baum, aus: Forum Metall Linz, Beiträge zur Plastik des 20. Jahrhunderts. Aspekte einer Veranstaltung. 1977